Mehr Sicherheit wagen – Videoüberwachung in Hannover

Das Verwaltungsgericht Hannover hat am 9. Juni die Videoüberwachung an 56 von 78 Orten für unverhältnismäßig erklärt (AZ 10 A 4629/11). Es seien besonders strenge Maßstäbe anzusetzen, da der Bürger nicht erkennen könne, ob eine Kamera nur beobachtet oder auch aufzeichnet.

Die CDU setzt sich seit Jahren für Videoüberwachung auf besonders kritischen öffentlichen Plätzen und in öffentlichen Verkehrsmitteln ein. Warum das für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger so wichtig ist, was die Chancen und Herausforderungen sind, was das aktuelle Urteil zu bedeuten hat, inwieweit unsere Grundrechte betroffen sind und was jetzt getan werden muss soll im folgenden beleuchtet werden.

Die Videoüberwachung ist unverzichtbar

Dass die öffentliche Sicherheit eine Funktion der personellen Ausstattung der Polizei ist, und dass die rotgrüne Landesregierung – allen voran die Grünen – aus ideologischen Gründen dringend benötigte Ressourcen vorenthalten, ist nur die halbe Wahrheit. Sicherheitskräfte können unmöglich jederzeit zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein.
An Videoüberwachung kritischer öffentlicher Plätze und in öffentlichen Verkehrsmitteln führt kein Weg vorbei. Da beisst die Maus keinen Faden ab.

Warum Videoüberwachung oft alternativlos ist – Beispiele

Durch eine bessere Videoüberwachung der Vorgänge auf der Kölner Domplatte in der Silvesternacht könnten Schuldige besser verfolgt werden. Eine schnelle und konsequente Reaktion des Rechtsstaates hätte andere Täter abgehalten.

Durch sichtbare Überwachungstechnik kommt es garnicht erst so weit. Schier unerträglich ist es, dass an Schulen direkt vor den Augen der hilflosen Schulleiter Schüler mit Drogen konfrontiert, zum Konsum von Rauschgift verführt werden. Die Methoden sind dabei so ausgefeilt, dass die Kriminalpolizei machtlos und überfordert ist. Wird ein Täter durch aufwändige verdeckte Ermittlungen tatsächlich dingfest gemacht, springt der nächste in die Lücke. Sisiphos lässt grüßen. Wir nehmen seit Jahren hin, dass unsere Kinder zu Opfern werden. Das kann nicht richtig sein!

Die Vorteile: Kriminalitätsprävention, Verkehrssicherheit, Aufklärung

Kameras haben drei Vorteile: Erstens dienen sie der Prävention. Die wenigsten begehen eine Straftat – beispielsweise einen Taschendiebstahl, eine Körperverletzung, eine sexuelle Belästigung, eine Sachbeschädigung, Drogenhandel an einer Schule – wenn er weiß, dass seine Tat beobachtet werden kann. Zweitens erhöhen sie die Verkehrssicherheit, denn es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Verkehrsteilnehmer besser auf ihr Fahrverhalten achten, wenn sie damit rechnen müssen, bei Verstössen gegen die StVO beobachtet zu werden. Drittens dienen Aufzeichnungen – selbsterklärend  – der Aufklärung. Es muss von der Polizei doch als blanker Hohn empfunden werden, wenn sie einerseits für ihre Aufklärungsquote in Anspruch genommen wird, andererseits aber hinsichtlich ihrer technischen Ermittlungsmethoden auf den Stand der 80er Jahre limitiert wird.

Die Nachteile: Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist wichtig für die Demokratie

Die Videoüberwachung ist oft alternativlos, birgt aber zugegebener Maßen auch Nachteile. Überall wo Kameras stehen fühlen sich nicht nur Kriminelle sondern auch Unbescholtene beobachtet. Es betrifft die individuelle Entfaltung und Selbstbestimmung des Einzelnen. Die elektronische Bildverarbeitung ermöglicht zudem heutzutage bereits relativ zuverlässig die Erkennung von Gesichtern und die Erstellung von Bewegungsprofilen. In totalitären Staaten werden die so gewonnen Daten gegen Andersdenkende eingesetzt. Psychologische Studien – darauf hat der bekannte Whistleblower Edward Snowden jüngst hingewiesen und konnten neueste Forschungen weiter erhärten –  haben ergeben, dass sich Menschen, die sich beobachtet fühlen, unbewusst regierungskonformer verhalten. Die Betroffenen wissen nicht, wer sich im Einzelnen hinter der Linse befindet. Edward Snowden berichtet von Fällen von Missbrauch durch den US-amerikanischen Geheimdienst bei denen beispielsweise das Opfer unter der Androhung der Offenlegung bestimmter Geheimnisse, zum Beispiel einer Liebesaffäre, zu bestimmten Handlungen, beispielsweise die Preisgabe sensibler Informationen oder Passwörter zu der der Betroffene per Gerichtsbeschluss nicht hätte gezwungen werden dürfen, genötigt werden sollte.

Der Askpekt der Aufzeichnung – Daten haben kein Verfallsdatum!

Die meisten Kameras dienen nicht rein der Überwachung sondern ermöglichen die digitale Aufzeichnung von Videos. Digitale Daten – und da muss die Gesellschaft in der Tat dringend sensibilsiert werden – haben kein Verfallsdatum und können jederzeit verlustfrei vervielfältigt werden. Das grundgesetzlich geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 GG) gewährleistet die Befugnis des Einzelnen über die Preisgabe und die Verwendung seiner persönlichen Daten zu entscheiden und dieses Grundrecht ist heute wichtiger denn je.

Informationelle Selbstbestimmung vs. Schutz der körperlichen Unversehrtheit und des Eigentums – Eine Frage der sorgfältigen Abwägung

Dass Grundrechte miteinander kollidieren können, ist nichts neues. Hier steht das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung mit anderen Grundrechten – dem Recht auf körperliche Unversehrtheit und dem Recht auf Eigentum – in Konflikt.
Hier gilt es, im Einzelfall abzuwägen und zu bestimmen, ob das Allgemeininteresse für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung oder das Einzelinteresse auf informationelle Selbstbestimmung überwiegt. Völlig zurecht stellt das Verwaltungsgericht hohe Anforderungen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Kamera tatsächlich aufzeichnet, oder nicht, denn der Bürger kann das nicht erkennen. Ob unter diesem Gesichtspunkt der Einsatz von Kameras an Unfallschwerpunkten verhältnismäßig ist oder nicht, kann durchaus diskutiert werden. Hier stehen einerseits immerhin Menschenleben auf dem Spiel. Denkbar ist aber andererseits auch, dass sich als Ultima Ratio andere Präventiv-Maßnahmen finden lassen.

Risiken ernstnehmen – Chancen nutzen

Die Verwaltung sollte es sich nicht zu leicht machen. Bei allzu liberalen Gerichten fällt – so scheint es oft – die Abwägung allerdings ebenso viel zu leichtfertig zulasten der öffentlichen Sicherheit aus.

Man hat auch den Eindruck, die Gerichte hätten Schwierigkeiten, mit dem technischen Fortschritt Schritt zu halten. So mokiert sich das Verwaltungsgericht darüber, dass die Überwahungskameras die Möglichkeit böten, nah heranzuzoomen und scheint dabei zu verkennen, dass die immer hochauflösendere Aufnahmetechnik ohnehin ermöglicht, dass auch nachträglich digital gezoomt werden kann. Je besser die Bildqualität umso besser die Chancen der Aufklärung und – nebenbei bemerkt – umso größer der Speicheraufwand und damit umso sicherer, dass die Daten innerhalb der vorgesehenen Frist wieder gelöscht werden.

Die Möglichkeiten der technischen Überwachung bieten heute eine ganz neue Dimension für die Prävention und Aufklärung. Das Potential ist enorm. Straftaten können verhindert werden, die Aufklärungsquote kann erhöht werden und es kann ein Beitrag zur Verkehrssicherheit geleistet werden.

Plädoyer für mehr Sicherheit

Es ist richtig und wichtig, die informationelle Selbstbestimmung ernstzunehemen und den Datenschutz sicherzustellen. Es wird aber auch Zeit für ein durchdachtes Sicherheitskonzept, das die datenschutzverträgliche Videoüberwachung auf besonders kritischen Plätzen, in Fahrstühlen und in öffentlichen Verkehrsmitteln sowie als ultima ratio auch an Unfallschwerpunkten ermöglicht. Infrage kommen beispielsweise kurze Aufzeichnungsfristen und strenge Kontrollinstanzen um den Schutz vor Datenmissbrauch effektiv zu gewährleisten. Videoüberwachung und -aufzeichnung zu verbieten ist die einfachste aber leider auch schlechteste Lösung im 21. Jahrhundert.

 

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