Schulpolitik im Fokus der Bezirksratssitzung am 21.9. – Ein Kommentar

Seit knapp fünf Jahren führt Kultusministerin Heiligenstadt einen ideologischen Kampf gegen das mehrgliedrige Schulsystem wie es das Land noch nicht gesehen hat. Ziel ist die Einheitsschule für alle. Nicht die Eltern sollen künftig entscheiden, was aus Ihrem Kind einmal werden soll, sondern der unter sozialdemokratischer Ägide latent raumgreifende Staat maßt sich an, Ihre Kinder in Zukunft alleine zu beurteilen. Dazu soll das über Jahrzehnte bewährte mehrgliedrige, aus Haupt-, Realschule, Förderschule, Gymnasium und Gesamtschule bestehende Schulsystem und damit die Wahlfreiheit für Eltern abgeschafft werden.

Gymnasien trifft es besonders hart

So wurden Gymnasiallehrern zunächst willkürlich die Arbeitszeit erhöht. Das OLG Lüneburg befand später, die Ministerin habe damit gegen Ihre Fürsorgepflicht als Dienstherrin verstoßen. Jetzt werden sie zum Stopfen von Löchern an die Grundschulen zwangsabgeordnet, was wiederum Fehlzeiten an den Gymnasien verursacht. Bei keiner anderen Schulform fällt aktuell so viel Unterricht aus. Die Schullaufbahnempfehlung wurde zusammen mit der Möglichkeit der Abschulung abgeschafft. Die Folge: Gymnasien sind nun völlig überfüllt. Die Klassenstärken erreichen 31 obwohl nur 30 zulässig wären. Zunehmend müssen Schülerinnen und Schüler an ihren Wunschschulen abgewiesen werden. Schulwege verlängern sich, Freundschaften zerbrechen. Im letzten Schuljahr ist eine Rekordzahl überforderter Gymnasiastinnen und Gymnasiasten sitzengeblieben.

Inklusion als Sparmodell

Dazu kommt die Inklusion von Kindern mit Förderbedarf. Unbestritten: Richtig umgesetzt, wäre sie eine gute Sache. Kinder mit Förderbedarf nehmen am Regelunterricht teil und tragen zu mehr Sozialkompetenz bei. Sie werden dabei während des Unterrichts von Sonderpädagogen begleitet. Das Problem ist, dass die Förderschulen geschlossen wurden um Kosten zu sparen statt sie als Wahlangebot weiter beizubehalten, denn nicht für alle Kinder – zum Beispiel jene mit schweren körperlichen, geistigen oder sozial-emotionalen Beeinträchtigungen – eignet sich der Regelschulbetrieb. Ihnen würde in kleinen Lerngruppen wie bisher weit bessere Förderung zuteil und die zentrale Betreuung ist selbsterklärend aufwändiger als die dezentrale. Mangels Sonderpädagogen kann nur ein Bruchteil der zuerkannten Förderstunden gewährt werden. Die Kinder mit Förderbedarf leiden. Die ohne auch. Von den überforderten Lehrkräften ganz zu schweigen.

Integration ohne Rücksicht auf Verluste

Nicht nur die als Sparmodell missbrauchte Inklusion – auch die planlose Integration führt zu unlösbaren Herausforderungen und Frust auf allen Seiten. Kinder ohne Deutschkenntnisse müssen in Ermangelung von Sprachlernklassen im Regelunterricht beschult werden. Da das Land Niedersachsen auf eine Wohnsitzauflage für Flüchtlinge verzichtet, werden die Schulen im Stadtgebiet mit einer hohen Zahl von Flüchtlingskindern ganz ohne jegliche Deutschkenntnisse frequentiert. Während ein Kind ohne Sprachkenntnisse gerade noch zu bewältigen wäre, sind es in Hannover an manchen Grundschulen und weiterführenden Schulen zu viele. Alleine an der Johann-Kepler-Realschule in Oberricklingen sind von rd. 350 Schulkindern 70-80 ohne Deutschkenntnisse und teilweise nicht einmal alphabetisiert (!) eingeschult worden. Der Schule wurde zum Verhängnis, so heißt es, dass die Klassen vorher verhältnismäßig klein waren und somit bis zur Obergrenze von 30 aufgefüllt werden konnten. Gymnasien blieben verschont, da sie ja bereits vorher am Limit waren.

Fördern und Fordern – Früher schon nicht einfach, heute nahezu unmöglich

Große Klassen, überforderte und vernachlässigte Schülerinnen und Schüler, dazu die Inklusions- und Integrationskinder – der Unterricht ist nicht nur schwierig geworden sondern an vielen Schulen nahezu unmöglich. Nur ein Bruchteil der Kinder, die in Jahrgangsstufe fünf an besagter Realschule zusammen beginnen sind in Jahrgangsstufe 10 noch in derselben Klasse. Viele Eltern wollen das ihren Kindern nicht zumuten und schicken sie lieber auf das Gymnasium. Sie fehlen dem Leistungsgefüge der Realschule, beeinträchtigen das des Gymnasiums. Die Eltern schaden letztlich auch den eigenen Kindern, denen jegliche Erfolgserlebnisse und damit die Lernmotivation genommen werden.

Schulversagen – Stadt und Land Hand in Hand

Seit Jahren werden Haupt-, Realschulen und Gymnasien in historischen Gebäuden zudem systematisch benachteiligt indem die Verwaltung sie einem Sanierungsstau aussetzt.

Die Aula der Humboldtschule ist seit vielen Jahren wegen Einsturzgefahr gesperrt. Die dringend benötigte Sanierung wird durch die Verwaltung verschleppt. Auch die Johannes-Kepler-Realschule in Oberricklingen ist marode. Die Turnhalle ist beispielsweise für Handball zu klein, dazu kommt die Verletzungsgefahr durch veraltete Sicherheitsstandards.

Auch die fehlende vorausschauende Planung der Stadt Hannover als Schulträger wird zunehmend zum Problem. Denn die städtischen Grundschulen werden vielerorts ebenso vernachlässigt. Marode ist beispielsweise die Grundschule Mühlenberg. Die Grundschule Wettbergen platzt seit Jahren aus allen Nähten. Sechs Schulklassen werden inzwischen in Containern unterrichtet.

Raumkapazität für eine weitere Grundschule im Bezirk wäre vorhanden. Die Martin-Luther-Förderschule in Ricklingen wurde geschlossen und steht seitdem leer. Sie könnte umgewidmet werden oder die Räume als Außenstellen der benachbarten Peter-Ustinov-Oberschule oder Johannes-Kepler-Realschule dienen. Es passiert indes nichts. Der über eine Bestandsaufnahme kaum hinausgehende Schul-„entwicklungsplan“ lässt uns im Unklaren darüber, was die Stadt nun plant und ob sie überhaupt noch etwas plant.

„Showdown“ im Stadtbezirksrat Ricklingen

Für die Sitzung des Stadtbezirksrates am 21.9.2017 wurde wegen den in der Presse in jüngster Zeit zu lesenden Eskalationen an gleich drei Schulen des Stadtbezirkes eine Anhörung angesetzt. Darüber hinaus hat die CDU-Fraktion Anfragen zum Stand der Sanierung an der Humboldschule, zu der schulorganisatorischen Bewältigung des Raumproblems an der Grundschule Wettbergen bzw. zu Planungen zu neuen Schulbezirksgrenzen,zur Entwicklung der Grundschulen im Stadtbezirk, zur Anzahl der Flüchtlingskinder im schulpflichtigen Alter, zur Anzahl der eingerichteten Sprachlernklassen sowie einen Antrag zur Sanierung der Johann-Kepler-Realschule eingebracht.

Zurück zur Landesschulpolitik: Ausgerechnet am 15.10.2017, genau an dem Tag, an dem viele Eltern und Lehrkräfte aus den Herbstferien kommen und ihre Koffer auspacken, findet die vorgezogene Wahl zum Niedersächsischen Landtag statt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!

Zum Autor

Erdem Winnicki engagierte sich jahrelang als Mitglied des Vorstandes des Stadtelternrates, als stv. Leiter des Arbeitskreises Grundschulen im StER sowie als Vorsitzender des Schulelternrates der Henning-von-Tresckow-Grundschule und ist Leiter des Arbeitskreises Schulpolitik des CDU Kreisverbandes Hannover-Stadt.

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