Wie die Sozialdemokraten mit einem Schildbürgerstreich den Bogen überspannen – Kommentar zur Grunderneuerung von Straßen in Oberricklingen

Tausende Euro Straßenausbaubeiträge wie aus dem nichts, für jedes Grundstück, schon wieder

Nach der umstrittenen Grunderneuerung von sieben Straßen westlich der Springer Straße in Oberricklingen nimmt die Verwaltung nun weitere sieben Straßen und Teilstrecken aufs Korn. Auf die Anwohnerinnen und Anwohner kommen Straßenausbaubeiträge in mindestens vierstelliger Höhe zu. So hat beispielhaft die Verwaltung die Kostenbeteiligung für ein typisches Grundstück in der Wennigser Straße auf 10.000 EUR geschätzt. Dabei hat zuvor niemand den Zustand dieser oder der ebenfalls betroffenen, benachbarten Straßen beklagt.

Funktionsfähige Straßen werden aufgerissen, Anwohner mit den Kosten belastet, damit die Stadt Geld spart 

Auf Vorhalt macht die Verwaltung geltend, dass die Straßen nicht mehr dem aktuellen technischen Stand entsprächen. Der nicht frostsichere Erdaufbau begünstige die Entstehung von Netzrissen und Mulden und stelle so eine latente Verkehrsgefahr dar, begibt sie sich auf das dünne Eis ihrer Argumentationslinie. Dass die Straßen nicht einfach weiterhin mit Ausbesserungen im Bedarfsfall unterhalten werden könnten und stattdessen aufwändig grunderneuert werden müssten, läge an den Kosten. Die Stadt will also Unterhaltungskosten sparen. Sie verschweigt, dass sie die Instandhaltung von Straßen selbst bezahlen muss, im Falle einer Grunderneuerung aber die Bürgerinnen und Bürger zur Kasse bitten darf.

An den Haaren herbeigezogen – Nie hat sich jemand beklagt, aber Stadt sieht plötzlich „Verkehrsgefahr“

Auf einmal sieht die Verwaltung Verkehrsgefahren, wo es in 70 Jahren nie Anlass zur Sorge gab. Außerdem sei die gebündelte Auftragsvergabe für die Stadt günstiger als bei einzelnen Straßen. In Zahlen ausgedrückt: Die Stadt rechnet mit 15% Einsparungen (rechnet es aber nicht vor), wie die Beantwortung unserer Anfrage ergab. Bei 2 Mio. EUR Sanierungsvolumen wären das 300.000 EUR p.a.  unbelegte und daher unsichere Einsparungen. Die Bürgerinnen und Bürger bezahlen dies mit vergleichsweise sicheren Straßenausbaubeiträgen in Höhe von 1.500.000 EUR p.a.. Zahlreiche Betroffene wählen den Klageweg. Inwieweit sich das angesichts der Rechtsverfolgungskosten rechnen kann, soll in einer so genannten Vollkostenrechnung ermittelt werden. Seit einem guten Jahr arbeitet die Verwaltung daran. Vorgelegt wurde sie bis heute nicht. Ein Schuft, wer Böses dabei denkt!

Eine miese Vorstellung

Die Bezirksratssitzung fand diesmal im großen Fritz-Haake-Saal statt und der war auch bis auf den letzten Platz belegt. Die Veranstaltung wurde sorgfältig orchestriert. Die Bekanntgabe der betroffenen Straßen erfolgte erst zwei Wochen vor der Sitzung. Sie wurden vorher quasi als geheimen Staatssache behandelt. Die Ouvertüre erfolgte mit einem einstündigen (!) Vortrag der Verwaltung zur Entwicklung des Stadtbezirks, gefolgt von auffällig überschwänglicher Lobhudelei der Sozialdemokraten. Sodann sah die Inszenierung endlich das Thema vor, für das sich das so zahlreich erschienene Publikum auf den Weg ins Stadtteilzentrum gemacht hat. Das Vorhaben wurde Straße für Straße vorgestellt und jedes Mal durften Fragen gestellt werden – eine Grundsatzdebatte war wohl nicht gewünscht. Pustekuchen! Weder ließen sich die aufgebrachten Bürgerinnen und Bürger durch den rosaroten Bericht im Vorprogramm einlullen, noch ließen sie es sich nehmen, die Grundsanierung als solche und die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen im Grundsatz in aller Deutlichkeit zu kritisieren und nicht wie vorgesehen nur brav Fragen zur vermeintlichen Baufälligkeit ihrer Straßen zu stellen.

Zahlreiche Wortmeldungen ließen die Sitzung bis Mitternacht andauern. Der Bezirksbürgermeister wird später dazu sagen, die Stimmung sei kühl gewesen. Er mag die soziale Kälte gemeint haben, mit der sich die Stadt an ihrer Bürgerschaft bereichern will. Die Stimmung war – sicherlich unstrittig – alles andere als kühl. Sie war hitzig.

„Soziale Gerechtigkeit“ in Hannover

Unter den Zuschauern im Fritz-Haake-Saal schildert ein Rentner, dass er sein Haus während seines Erwerbslebens als Altersvorsorge abbezahlt hat und nun nicht weiß, wie er von der Rente die auf ihn zukommende Beitragslast finanzieren soll. Eine weitere Zuschauerin, alleinerziehende Mutter, hat sich ihren Kindern zuliebe ein Häuschen mit Garten geleistet und weiß nicht, wie es nun weitergehen soll. Im Härtefall könnten die Beiträge gestundet werden erwidert die Verwaltung kühl – allerdings zu 5% Zinsen. Bei dem aktuellen Zinsniveau bereichert sich die Stadt also mit hohen Zinsgewinnen gleich nochmal und das ausgerechnet bei den Finanzschwächsten!

Warum sind so viele Straßen ausgerechnet in Oberricklingen betroffen? Ein Erklärungsansatz. 

Eine weitere Auffälligkeit: mit nunmehr 14 von insgesamt rund 100 Straßen, die von dem  Programm „Grunderneuerung im Bestand“ erfasst wurden, ist Oberricklingen als einer von 51 Stadtteilen auffällig stark betroffen. Wir fragen uns, ob das wirklich Zufall sein kann. So ist im Zuge des Sanierungsprogramms „Energiequartier Oberricklingen“ vorgesehen, das vereinfachte Sanierungsverfahren gemäß § 142 BauGB  anzuwenden. Die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen wäre dann weitgehend ausgeschlossen. Ein Einleitungsbeschluss dazu liegt bereits vor. Warum wohl will die Stadt partout schon heute die Einwohnerinnen und Einwohner in Oberricklingen „beglücken“? Ein Schuft wer Böses denkt.

Still ruht der See 

Und die Sozialdemokraten? Man hat sie angesichts der massiven Präsenz der Betroffenen an diesem Abend, der schieren Anzahl der Wortführerinnen und Wortführer aus allen Schichten und des Ausmaßes ihres Unmutes selten so still erlebt. Ein Bürger brachte es dann mit seinem Redebeitrag auf den Punkt und erntete dafür Szenenapplaus: Nach der Wahl ist vor der Wahl.

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